Perspektiven schaffen – drogenfrei leben – nachhaltig wirtschaften

Der meditative Spaziergang

Unsere Vereinsklausur findet zweimal im Jahr statt und ist geprägt von Vorträgen, anregenden intensiven Gesprächen, kontroversen Diskussionen.nEs geht um die Zukunft Fleckenbühls, um unser Zusammenleben, um Erneuerung, Wandel und Traditionen.

Um ein Gegengewicht zu schaffen und in die Besinnung zu finden, kam ich auf die Idee eines „meditativen Spaziergangs“. „Schweigend zusammen“ wollte ich die 25 Vereinsmitglieder an ausgesuchte Orte auf dem Fleckenbühler Land führen. Den Plätzen angepasst, hatte ich jeweils ein Thema ausgesucht, das ich mit einem vorgelesenen Text vertiefen wollte.

Keiner wusste was ihn erwartete, einige waren skeptisch und ich glaube, dass das Schweigen anfangs schwer einzuhalten war. Wie oft wollen wir uns doch dem anderen mitteilen.

Zu Beginn des Spaziergangs versammelten wir uns vor der Festscheune. Dort, vor dem mächtigen Tor, las ich die beiden Leitbilder des Fleckenbühler Vereins vor. Darin geht es um Nüchternheit, Hilfe zur Selbsthilfe, Orientierung, Anteilnahme, Freiheit, Zukunftsfähigkeit und berufliche Perspektiven. Die Leitbilder beschreiben, was Fleckenbühl tatsächlich ausmacht.

Da mir Kinder besonders am Herzen liegen, wählte ich als erste Station den Kinderspielplatz.

Kinderspielplatz, das ist glückliche Spielzeit, glückliche Kindheit.

Ich trug einen kurzen Text über die Bindung eines Neugeborenen zur Mutter vor: Kälte und Wärme, Berührungen, Geruch, Geschmack, was die Mutter isst, trinkt, sagt, wirken direkt und elementar auf das Kind. Den Stimmungen in seiner Umgebung ist es schutzlos ausgeliefert, weil es die Wahrnehmungen noch nicht bewusst verarbeiten kann. Von früh auf nimmt es aber auch die kleinen Wohltaten in seiner nächsten Umgebung wahr.

Unser zweiter Halt war der Ziegenfelsen. Unser Ziegenstall wird momentan umgebaut, so dass das Thema Schicksal, Wandel und Erneuern in einem kurzen Text thematisiert wurde.

Es geht um Gemeinschaft und um einen persönlichen Entwicklungsweg: Ein Mensch braucht seinen Weg nicht alleine zu gehen.

Er kann auch in einer Gruppe mit Menschen beschritten werden, die durch gemeinsame Arbeit verbunden sind. Man könnte diese Gemeinschaft auch als Verantwortungsgemeinschaft bezeichnen. Jede Erkenntnis und jegliches Können des Einzelnen stehen der ganzen Gemeinschaft zur Verfügung.

Schweigend gingen wir weiter zu den vier Linden. Da sich dieser Standort durch eine besondere Schönheit auszeichnet, befasste sich der von mir gelesene Text mit dem Garten als individualisiertem Ort und als unsere seelische Nahrung. Der Garten ist ein Ort, mit dem ich mich verbinde, wo ich arbeite, pflege, beobachte, erlebe und genieße. Ein Ort, den ich durch ständige Aktivität gestalte und die verschiedenen Elemente und Wesen intensiv in Beziehung setze: Erde, Wasser, Luft, Wärme, Pflanzen und Tiere.

Bei unserem Gang zu den Rosenstöcken und der Trauerweide nahmen wir die Stille und das gelesene Wort in uns auf. Wir blickten nach innen. Grenze und Schutz sind die Themen, die wir mit dem Platz verbinden. Ich erzähle von Handlungen, die dem Menschen in verschiedenen Situationen dienen: Behüten, Entlasten, Belasten, Ausgleichen, Reinigen im Inneren und Äußeren, Bestätigen. Dabei denke ich besonders an die Bewohner, die neu zu uns gekommen sind und sich in ihrer Anfangszeit zurechtfinden müssen.

In der Handlung des Bestätigens bejahen wir den anderen in seinem Wesen, gleich, welcher Art seine Fähigkeiten und Unfähigkeiten sind. Sie ist die Grundlage des Vertrauens, das ein Mensch einem anderen entgegenbringt. Wer den anderen bestätigt, ist in der Lage zu trösten, sein Rat wird gehört, eine Atmosphäre der Hoffnung kann entstehen.

Nun geht es schweigend weiter zum Stall, zu den Kühen, wir stehen ihnen in einer langen Reihe an ihrem Futtertisch gegenüber. Die Kühe werden sich gewundert haben, denn es war nicht die übliche Futterzeit. Dies hatte ich mit der Stallmannschaft zuvor besprochen, dass, wenn der Verein kommt, das schöne Grünfutter den Tieren vorliegt.

Das Schnaufen und Wiederkäuen begleitete den kleinen Vortrag, in dem es um unsere Tier-Mensch-Beziehung ging. Können wir sagen, dass wir, indem wir die Tiere erkennen und ihnen wahres Interesse entgegenbringen, ihnen eine neue Art des Wohlbefindens vermitteln, vielleicht sogar so etwas wie eine Identität geben? Können wir denken, dass wir, indem wir diese Tiere in unsere Obhut nehmen, Begegnungen mit dem Menschen schaffen?

Nachdenklich gehen wir in Stille weiter zum Brunnen in der Mitte des Hofes. Wir bilden einen großen Kreis um den Brunnen, haken uns ein und richten den Blick auf den Brunnen, den ältesten Teil des Hofes. Der Brunnen bildet den Mittelpunkt, ihn gibt es schon sehr lange.

Als Abschluss unseres meditativen Spaziergangs erschien mir das Thema Beständigkeit passend:

Und immer wieder sät man aus den Samen

Und immer wieder gießen Wolkengötter

Und immer wieder ackert man den Acker

Und immer wieder kommen andre Eigner

Und immer wieder werden Bettler bitten

Und immer wieder werden Geber geben

Und immer wieder neue Gaben geben

Und immer wieder neue Himmel finden.

Buddha

Danach gingen wir gestärkt, ruhig und nachdenklich in unsere weiteren Besprechungen. Das Tagesgeschäft wartete auf uns.

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