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Ein Jahr nüchtern

Zeit für eine besondere Würdigung

Jeden Freitagabend vor dem obligatorischen Spiel, vor dem sich alle im großen Essraum auf Hof Fleckenbühl versammeln, halte ich eine Ansprache, die etwa so abläuft:

Schönen guten Abend Fleckenbühl, es ist 20:00 Uhr an einem Freitag.

Bevor wir auf dem Spiel miteinander ins Gespräch kommen, berichte ich kurz aus dem Haus darüber, was in der vergangenen Woche los gewesen ist. (Es folgt ein kleiner Bericht über besondere Vorkommnisse.)

Und jetzt kommen wir zu etwas ganz Besonderem: Jemand lebt seit einem Jahr nüchtern bei uns.

Bitte komm zu mir nach vorne: Ich überreiche dir den Anstecker mit der „großen 1“, die steht für dein erstes nüchternes Jahr. Du kannst stolz auf dich sein. Dein nächster Anstecker wird die große 3 zeigen, hoffentlich.

Und hier zeige ich dir dein Jahresbüchlein mit Fotos von dir und festgelegten Texten. Es sind Texte, die die Gemeinschaft schon lange Zeit begleiten. Vielleicht kannst du aus diesen Quellen Mut und Zuversicht schöpfen, wenn du mal eine schwere Zeit hast.

Lieber Peter,

wir gratulieren dir zu deinem ersten nüchternen Geburtstag. Toll, was du geschafft hast! Jetzt geht es richtig los. Bleib dran, die Reise geht weiter.

Deine Fleckenbühler

Dein erstes Foto in deinem Jahresbüchlein zeigt dich an deinem Aufnahmetag, du bist neu gewesen, alles war dir fremd. Du siehst noch ein wenig mitgenommen aus. Hier steht der Gelassenheitsspruch von Oetinger: Du brauchst Geduld.

Dein zweites Foto zeigt dich nach 14 Tagen in deinem ersten Praktikum, du hast dich entschieden, in Fleckenbühl zu bleiben. Beim nächsten kleinen Text im Büchlein geht es um unser Spiel: Nutze dein Spiel. Das Spiel ist ein uneingeschränktes Gespräch, in dem du alles aussprechen darfst.

Dein drittes Foto zeigt dich gut erholt nach drei Monaten in der schönen Natur Fleckenbühls. Beim nachfolgenden Text geht es um Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, um Geben und Empfangen.

Dein viertes Foto zeigt dich nach sechs Monaten Zugehörigkeit, du schaust, als ob es dir gut geht. Auf der nächsten Seite steht ein Essay von Ralph Waldo Emerson: Vertraue dir selbst. Solange du dich bewusst akzeptierst, wirst du weiter wachsen und deine Möglichkeiten entwickeln.

Dein fünftes Foto zeigt dich mit erhobenem Daumen in Siegerpose: Khalil Gibrans Text erinnert dich daran, dass du nicht nur für dich, sondern auch für andere Verantwortung übernimmst.

Ich habe für dich einen weiteren, ganz persönlichen Spruch ausgesucht. Er steht ganz vorne, noch vor deinem ersten Foto. Ich hoffe, er gefällt dir:

Solange wir nach einem Dort suchen, werden wir niemals ein Hier finden. Denn sobald wir ein Hier gefunden haben, begeben wir uns wieder auf die Suche nach einem neuen Dort. Wir sind nicht auf der Suche nach etwas außerhalb, sondern auf der Suche nach etwas in uns. Oder auf der Flucht vor einer inneren Leere. Oder wir haben uns verloren und suchen unseren Weg.

Im Augenblick stehe ich im Wald, finde ich die Wege vor lauter Bäumen nicht, verzettle mich und bräuchte eine Landkarte. Eine Karte von meinem Inneren aber, kann ich nur selbst zeichnen. Ein wenig ziellos, ratlos… Es ist schwer, das Glück in uns zu finden, und es ist ganz unmöglich, es anderswo zu finden.

Nicolas de Chamfort

Und nun wünsche ich dir einen schönen Abend inmitten von Freunden, Arbeitskollegen und deiner Familie beim Erzählen deiner Lebensgeschichte.

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